Bodenkrise? Bodenwende!

Flächenpolitik und Bodenpolitik
gehören zusammen

Wir übernehmen hier einen Beitrag unseres Sprechers Stephan Reiß-Schmidt, der im Januar 2025 im Journal der Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gesellschaft erschienen ist.

Boden steht dreifach unter Druck: als Flächenressource, als Wirtschaftsgut und Eigentumstitel und nicht zuletzt als ökologisches System. Die Bodenkrise genießt weit weniger öffentliche Aufmerksamkeit und politische Priorität als die Klima- oder Biodiversitätskrise – aber sie ist nicht weniger brisant (WBGU 2020; Bachmann 2024). Boden ist unvermehrbar und für Infrastruktur, Wohnraumversorgung, Produktion und Handel ebenso unverzichtbar wie für das natürliche Gleichgewicht. Für eine sozial- und klimagerechte Raumentwicklung bedarf es neben wirksameren Entscheidungsprozessen und Planungsinstrumenten vor allem einer neuen Bodenordnung, die Eigentumsfreiheit und Sozialbindung besser ausbalanciert.

Bodenkrise im 360-Grad-Panorama

Die Flächenansprüche für Bauen, Verkehr, Rohstoffgewinnung und aktuell vor allem für die Erzeugung, Weiterleitung und Speicherung erneuerbarer Energie wachsen weiter, zumeist auf Kosten landwirtschaftlicher und naturnaher Flächen (Osterburg/Ackermann/Böhm et al. 2023). Die tägliche Flächenneuinanspruchnahme für Siedlung und Verkehr liegt mit 52 ha immer noch weit über den für 2030 in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie angestrebten 30 ha. Der in der EU-Bodenstrategie verankerte Netto- Null-Flächenverbrauch bis 2050 (EU 2021: 4) scheint angesichts der aktuellen Trends kaum erreichbar. Allein für den geplanten Ausbau von Freiflächen-PV-Anlagen bis 2030 werden, verteilt auf 8 Jahre, gut 40 ha pro Tag veranschlagt (Osterburg/Ackermann/Böhm et al. 2023: 36). Ackerbau- und Veredelungsbetriebe erzielten im Durchschnitt der Jahre 2004–2019 einen Ertrag von ca. 270 Euro pro ha und Jahr, größere Photovoltaik-Freiflächenanlagen dagegen im Jahr 2022 zwischen 10.000 und 20.000 Euro, also bis zu 74-mal so viel (ebd.: 55). Eine klima- und energiepolitisch sinnvolle Regulierung ohne komplementäre Regulierung des Bodenmarktes verdrängt die landwirtschaftliche Nutzung. Landbanking, Konzentration des Bodeneigentums und explodierende Boden- und Pachtpreise sind die Folgen, wenn Boden zum Asset (im Sinne einer Kapitalanlage) für außerlandwirtschaftliche Investments wird: Die Preise für Agrarland stiegen von 2010 bis 2021 im Bundesdurchschnitt von knapp 12.000 auf fast 30.000 Euro pro ha (agrarheute 2024).

Das Bauland in den Städten erlebte in der langen Niedrigzinsphase nach der Weltfinanzkrise einen ähnlichen Goldrausch, der den Mangel an bezahlbaren Wohnungen verschärfte. Bauland für Mehrfamilienhäuser kostete 2022 in Regionen mit hohem Bodenpreisniveau 1.140 Euro pro m² und damit mehr als dreimal so viel wie 2009, in attraktiven Großstädten wie München sogar fast fünfmal so viel (AK OGA 2023: 185). Bei Bodenanteilen, die bis zu 80 % der Herstellungskosten einer Wohnung ausmachen, sind für gering- oder durchschnittlich verdienende Haushalte bezahlbare Mietwohnungen ohne öffentliche Förderung nicht mehr realisierbar. Auch im Wohnungsbestand locken enorme Gewinne durch aufwendige Modernisierung und Umwandlung in Eigentumswohnungen. Dadurch wirkt der Boden mehr denn je als Umverteilungsmaschine, denn „der Löwenanteil des Immobilienvermögens (ist) bei den zehn Prozent reichsten Haushalten konzentriert“ (Löhr 2023: 113).

Schließlich steht der Boden auch biophysikalisch unter Druck. Die Planetaren Grenzen, die einen „sicheren Handlungsraum für die Menschheit“ definieren, sind bei sechs von neun Systemen bereits überschritten, darunter auch die Veränderung der Landnutzung. Klimawandel, Biodiversität und biogeochemische Kreisläufe befinden sich bereits im Hochrisikobereich (PIK 2024). Natürlicher Klimaschutz und Maßnahmen zur Klimaanpassung stellen zusätzliche quantitative und qualitative Anforderungen an den Boden, z. B. für die Wiedervernässung von Mooren, die Erhöhung der CO2-Speicherkapazität, die Renaturierung von Auen oder für die Wasserrückhaltung. Mehrfachnutzungen wie Agri-Photovoltaik, Agroforstwirtschaft und Paludikultur (land- und forstwirtschaftliche Nutzung nasser Moorstandorte) gelten bei zunehmender Nutzungskonkurrenz als unerlässliche Mehrgewinnstrategien (WBGU 2020: 2). Durch die monetäre Bewertung von Ökosystemleistungen und deren Kommodifizierung, z. B. durch Zertifikate oder Ausgleichsabgaben, steigern auch natürliche Bodenfunktionen jenseits der landwirtschaftlichen Produktion den Bodenwert und stärken die Position des Eigentums. Knappheit, Synergien und Konflikte zwischen den Dimensionen Flächenressource, Eigentum und Bodenökologie erfordern eine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik mit 360-Grad-Perspektive, die alle Funktionen und Akteure einbezieht.

Die Bodenfrage neu stellen

„Land ist ein globales Gemeingut: Die Menschheit muss Gestaltungsverantwortung für das Land übernehmen, um Klimaschutz, Biodiversitätserhaltung und Ernährungssicherung zu ermöglichen, und diese national umsetzen sowie international durchsetzen“ (WBGU 2020: 2). So lautet die Antwort der Umweltwissenschaften auf die Bodenfrage. Für den britischen Philosophen und Ökonomen John Stuart Mill war schon vor fast 180 Jahren klar: „No man made the land. It is the original inheritance of the whole species“ (Mill 1848: 233).

Vor allem die Raumordnung leidet unter der systemischen Schwäche einer nur behördenverbindlichen Planung, die zwar die nachgeordneten Ebenen bis zur kommunale Bauleitplanung bindet, aber nicht die für die Bodennutzung entscheidenden Verfügungsberechtigten. Selbst der Bebauungsplan (soweit er nicht von einem städtebaulichen Vertrag oder einem Baugebot flankiert wird) bietet nur Baurecht an, ohne eine Baupflicht aufzuerlegen. Abwarten kann sich bei steigenden Bodenpreisen mehr lohnen als Bauen. Planung stößt mithin auf allen Ebenen an die Grenzen eines „passiven“ bodenpolitischen Systems mit „privatisierten Planungswertgewinnen und einer geringen Effektivität in der Baulandentwicklung“ (Siedentop 2024: 73).

Nicht zufällig ist Eigentum im Fachdiskurs und in der Politik häufig der Elefant im Raum: Eigentumsgarantie wird mit Freiheit konnotiert und so zum Tabu. Mit Boden wie mit einer beliebigen Ware umzugehen wird als selbstverständliches, marktwirtschaftliches Handeln betrachtet. Das Grundgesetz (GG) bietet zwei Optionen: Erstens die Sozialpflichtigkeit des Eigentums, dessen Inhalt und Grenzen gesetzlich reguliert werden und damit zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen sollen (Art. 14 Abs. 2). Es fehlt allerdings eine bodenspezifische Regelung, wie sie in der Verfassung des Freistaates Bayern von 1946 (Art. 161 Abs. 2) zu finden ist und ähnlich bereits in der Weimarer Verfassung von 1919 (Art. 155) enthalten war: „Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen.“ Zweitens eröffnet Artikel 15 GG die Option einer Vergesellschaftung von Grund und Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln, für die freilich eine politische Mehrheit nicht in Sicht ist. Umso bedeutsamer ist eine gesetzliche Inhaltsbestimmung des Eigentums, die dem Gemeinwohl ein größeres Gewicht verleiht, insbesondere durch:

  • Regulierung des Bodenmarktes zur Erschwerung von Spekulation, Geldwäsche und zur Limitierung von Bodenpreisen, z. B. durch ein öffentliches Grundbuch, ein wirksames Transparenzregister oder durch eine Kopplung der Bodenpreise an die allgemeinen Lebenshaltungskosten.
  • Dämpfung von Spekulation und Geldwäsche durch eine gerechtere Besteuerung von Immobiliengewinnen (Bach/Eichfelde 2021), Reaktivierung der Vermögensteuer sowie eine weitgehende Abschöpfung planungsund infrastrukturbedingter Bodenwertsteigerungen (Planungswertausgleich).
  • Öffentliches bzw. gemeinwohlverpflichtetes Bodeneigentum in kommunalen oder regionalen (revolvierenden) Bodenfonds, bei gemeinnützigen Unternehmen oder Stiftungen. In revolvierende Fonds zahlen Kommunen alle Erlöse und Gewinne aus Grundstücksverkäufen und/oder Erbbaurechten ein. Er wird als Sondervermögen ausschließlich dafür genutzt, neuen Boden zu erwerben und durch Auflassungsvormerkung (Bodenbevorratung) oder Heimfall (Erbbaurechte) entstehende Kosten zu decken. Neben dem freihändigen Ankauf (Erwerb der öffentlichen Hand mit den Mitteln der Privatrechtsordnung unter Verzicht auf hoheitliche Maßnahmen) sind vor allem die Instrumente des Baugesetzbuchs (BauGB) zu nutzen – vom Vorkaufsrecht über die Umlegung und die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) bis zur Enteignung. Nachhaltig ist diese Strategie nur, wenn der Boden dauerhaft dem Markt entzogen bleibt und nicht an Private verkauft, sondern ihnen befristet im Erbbaurecht zur Nutzung überlassen wird.

Der langjährige Münchner Oberbürgermeister und spätere Bundesbau- und Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel hat 1972 eine Neudefinition des Bodeneigentums durch Aufteilung in ein öffentliches Verfügungs- und ein privates Nutzungseigentum als zweiten Schritt einer Bodenrechtsreform vorgeschlagen (Vogel 1972: 1546). Ähnliche Wirkungen hätte auch eine konfiskatorische Bodenwertsteuer, die die privaten Eigentumsrechte formell belässt, aber den Boden entkapitalisiert (Löhr 2023: 128).

Bodenwende in Sicht?

Das 2020 im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 gegrün- dete bundesweite Bündnis Bodenwende (https://dasl.de/ ausschuss-bodenpolitik/) hatte angesichts der gesellschaftspolitischen Brisanz und Komplexität des Themas als ersten Schritt „die Einrichtung einer Enquete-Kommission zur gemeinwohlorientierten Bodenpolitik in der nächsten Legislaturperiode unter Einbeziehung von Expert*innen aus Wissenschaft, kommunaler Praxis und Zivilgesellschaft, begleitet von einer breit zugänglichen, öffentlichen Debatte“ gefordert (Bündnis Bodenwende 2021: 1). Leider fand diese Forderung keinen Eingang in den Koalitionsvertrag und kurz vor dem Ende der Legislaturperiode sind nicht einmal Spurenelemente einer Bodenwende auszumachen. Zumindest die beiden größeren Koalitionsparteien, SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatten sich noch 2021 in ihren Wahlprogrammen direkt oder indirekt zu einer gemeinwohlorientierten Bodenpolitik bekannt und angekündigt, die Bodenspekulation einzudämmen, das Vorkaufsrecht zu erweitern sowie den schon seit langem diskutierten Planungswertausgleich einzuführen oder mindestens zu prüfen.

Viele Städte und Gemeinden haben dagegen in den letzten Jahren unter dem Druck von steigenden Bodenpreisen und dem Mangel an bezahlbaren Wohnungen immerhin eine kommunale Bodenwende eingeleitet. Eine repräsentative Kommunalumfrage des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) hat ergeben, dass über zwei Drittel der Städte und Gemeinden aktive Bodenpolitik als Instrument der Stadtentwicklung nutzen und eine aktive Ankaufspolitik betreiben, überwiegend als Zwischenerwerb. Eine bodenpolitische Strategie (Baulandbeschluss) haben 43,5 %, ein Drittel nutzt ein kooperatives Baulandmodell (Verknüpfung der Baurechtschaffung mit der Kostenübernahme bzw. Grundstücksbereitstellung für Infrastruktur und geförderten Wohnungsbau durch die Begünstigten). Die Vergabe städtischer Grundstücke erfolgt bei fast 80 % zumindest gelegentlich nach dem besten Nutzungskonzept und nicht nach dem höchsten Preis. Und immerhin 41 % nutzen (überwiegend im Einzelfall) das Erbbaurecht, um langfristig über den kommunalen Grundbesitz verfügen zu können (Pätzold/Frölich von Bodelschwingh/Bunzel 2023: 31 ff.).

Das laufende Gesetzgebungsverfahren zu einer großen BauGB-Novelle sollte dazu genutzt werden, Städten und Gemeinden mehr bodenpolitischen Handlungsspielraum zu geben. Von besonderer Bedeutung ist eine Ausweitung des Vorkaufsrechts auf die Bodenvorratspolitik sowie auf Verkaufsfälle, die den Verkehrswert deutlich überschreiten (Löhr 2023: 126). Für Gemeinwohlnutzungen müsste dabei eine Preislimitierung auf einen „sozial tragfähigen Bodenwert“ (ebd.: 126) anstelle des Verkehrswertes ermöglicht werden. Da in vielen Städten über die Hälfte des Wohnungsneubaus im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) und damit ohne die Möglichkeit von Gemeinwohlbindungen erfolgt, ist außerdem die Ergänzung der Genehmigungsvoraussetzungen um Anforderungen an eine soziale Wohnraumversorgung angezeigt, z. B. durch eine Quote geförderter Wohnungen und abgesichert durch einen städtebaulichen Vertrag. Nicht zuletzt sollte durch die Verdichtung des Baurechts zu einer Baupflicht das große Potenzial der Innenentwicklung besser genutzt und damit ein Netto-Null-Flächenverbrauch erreicht werden. Die grundsätzliche Befristung neu geschaffenen Baurechts und seine entschädigungslose Rücknahme bei Nichtnutzung könnten dazu ebenso beitragen wie ein verbessertes Baugebot und das neue Instrument der Innenentwicklungsmaßnahme (IEM) mit Baupflicht und kommunalem Ankaufsrecht.

Wie weiter?

Um die in völkerrechtlich verbindlichen Verträgen vereinbarten Ziele für Klimaschutz und Biodiversität einzuhalten, muss die Raumplanung auf einen Transformationspfad einschwenken. Statt Naturbeherrschung und Wachstum steht das Management von Knappheiten nach den Prinzipien der Suffizienz und der räumlichen, intergenerationellen und sozialen Gerechtigkeit auf der Agenda (DASL 2022: 5). Die für eine konsequente Flächenkreislaufwirtschaft seit mehr als einem Vierteljahrhundert diskutierten Instrumente wie verbindliche Flächenbudgets oder Rote Linien in Regionalplänen, Flächenausweisungszertifikate oder eine Zubau- Rückbau-Regel (ARL 2024: 10 ff.) können ohne eine andere Bodenordnung keine nachhaltige Wirkung entfalten. Für die Verknüpfung einer transformativen Flächenwende mit einer gemeinwohlorientierten Bodenwende bedarf es neuer Bündnisse in Zivilgesellschaft und Politik (Bachmann 2024: 8). Nur gemeinsam mit Akteuren städtischer und ländlicher Entwicklung und in der Auseinandersetzung mit ihren sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Interessen kann die Raumplanung mit klugen Strategien, lebendigen Szenarien und anschaulichen Raumbildern Antworten auf die entscheidende Frage finden: Wie wenig ist genug?

Literatur

agrarheute (2024): Bodenpreise weiter auf Rekordjagd – Bauern verlieren Ackerland. https://www.agrarheute.com/management/finanzen/bodenpreiserekordjagd-bauern-verlieren-ackerland-610530 (28.07.2024).
AK OGA – Arbeitskreis der Oberen Gutachterausschüsse, Zentralen Geschäftsstellen und Gutachterausschüsse in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.) (2023): Immobilienmarktbericht Deutschland 2023. Oldenburg.
ARLAkademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft (Hrsg.) (2024): Perspektive netto-null Flächenverbrauch – Innenentwicklung, flächensparendes Bauen, Flächenrückgabe und städtebauliche Qualifizierung als Elemente einer Flächenkreislaufwirtschaft. Hannover. = Positionspapier aus der ARL 149. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0156-01492 (29.07.2024).
Bach, S.; Eichfelde, S. (2021): Reform der Immobilienbesteuerung: Bodenwerte belasten und Privilegien streichen. Berlin. = DIW Wochenbericht 27/2021. https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.821121.de/21-27-3.pdf (07.08.2024).
Bachmann, G. (2024): Wie weiter mit Flächenpolitik und Nachhaltigkeit? Keynote zum Dresdner Flächennutzungssymposium 2024 am 11.06.2024.
Bündnis Bodenwende (2021): Bodenwende jetzt! Bodenpolitische Forderungen zur Bundestagswahl 2021. Berlin. https://dasl.de/wp-content/uploads/2018/11/Bodenwende-jetzt_Forderungen.pdf (29.07.2024).
DASLDeutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung (2022): Unsere Städte und Regionen: Was sich ändern muss – wie wir uns ändern müssen. Berliner Erklärung der DASL. Berlin.
EU – Europäische Kommission (2021): EU-Bodenstrategie für 2030. Brüssel. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX: 52021DC0699 (31.07.2024).
Löhr, D. (2023): Bezahlbares Wohnen: Der Boden ist der Schlüssel. In: Nerdinger, W.; Bayerische Akademie der Schönen Künste (Hrsg.) (2023): Recht auf Wohnen? Göttingen, 101-135.
Mill, J. S. (1848): Principles of Political Economy: With Some of Their Applications to Social Philosophy. Book II, Chapter 2, § 6. Zit. Nach Ashley, W. J. (Ed.) (1923): Nachdruck. London.
Osterburg, B.; Ackermann, A.; Böhm, J.; Dauber, J.; de Witte, T.; Elsasser, P.; Erasmi, S.; Gocht, A.; Hansen, H.; Heidecke, C.; Klimek, S.; Krämer, C.; Kuhnert, H.; Moldovan, A.; Nieberg, H.; Pahmeyer, C.; Plaas, E.; Rock, J.; Röder, N.; Söder, M.; Tetteh, G. O.; Tiemeyer, B.; Tietz, A.; Wegmann, J.; Zinnbauer, M. (2023): Flächennutzung und Flächennutzungsansprüche in Deutschland. Braunschweig. = Thünen Working Paper 224.
Pätzold, R.; Frölich von Bodelschwingh, F.; Bunzel, A. (2023): Praxis der kommunalen Baulandmobilisierung und Bodenpolitik. Berlin. = Difu Impulse 3/2023. https://doi.org/10.34744/difu-impulse_2023-3
PIK – Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (2024): Planetare Grenzen – Ein sicherer Handlungsraum für die Menschheit. https://www.pik-potsdam.de/de/produkte/infothek/planetare-grenzen. (15.08.2024).
Siedentop, S. (2024): Innenentwicklung – Planungsdoktrin ohne
Wirkungsmacht. Vortrag auf dem Wissenschaftlichen Kolloquium der
DASL in Dortmund am 10.03.2023. In: Tvrtkovic, M.; DASL (Hrsg.)
(2024): Stadt denken 8. Berlin, 69-75.
Vogel, H. J. (1972): Bodenrecht und Stadtentwicklung. In: Neue Juristische Wochenschrift 1972 (35), 1544-1547.
WBGU – Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (2020): Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration. Berlin.

DIPL.-ING. STEPHAN REISS-SCHMIDT, STADTDIREKTOR A . D. ist freier Berater und Autor für Stadt- und Regionalentwicklung. Er ist u. a. Ko-Vorsitzender des Ausschusses Bodenpolitik der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung sowie Mitinitiator der Münchner Initiative für ein soziales Bodenrecht und des bundesweiten Bündnisses Bodenwende. boden@dasl.de

Die Mieten steigen weiter und weiter

Sebastian Krass schrieb in der Süddeutschen Zeitung vom 3. Januar über den unaufhaltsamen Anstieg der Mieten in München. Er führte dazu ein Gespräch mit unserem Sprecher Christian Stupka, der hier Aufklärung schaffen konnte:

Ein Anruf bei Christian Stupka. Er ist Münchens wohl bekanntester Aktivist für bezahlbares Wohnen und Mitarbeiter der Genossenschaftlichen Immobilienagentur Gima, einer Dachorganisation von Wohngenossenschaften. Der Mann steht also nicht im Verdacht, allzu viel Mitgefühl für Immobilieninvestoren zu haben. Aber er beschäftigt sich auch mit den Mechanismen auf dem freien Wohnungsmarkt in München.
Gleich zu Beginn des Telefonats schickt Stupka eine Excel-Tabelle, eine „Wirtschaftlichkeitsberechnung“ für Immobilien. Allerhand Felder hat sie, zum Beispiel für den Grundstückskaufpreis, die Baukosten für eine gewisse Zahl Quadratmeter. Auch Zinsen, Eigenkapital und Rücklagen können eingetragen werden. Und am Ende kommt eine Miete raus, die man verlangen muss, um das Objekt rentabel zu betreiben.
Stupka hat auch eine Modellrechnung eingetragen: zwei Millionen Euro Kaufpreis für ein Grundstück, das Platz bietet für zehn Wohnungen à 75 Quadratmeter. Der Preis entspricht von der Lage in der Stadt her „eher Laim als Lehel“, sagt Stupka, also nicht ganz weit draußen, aber auch nicht in besonders begehrter Lage. Die Baukosten beziffert Stupka aktuell auf 5000 Euro pro Quadratmeter. Er legt drei Prozent Kreditzinsen zugrunde und die Erwartung, auf das eingesetzte Eigenkapital drei Prozent Rendite zu erwirtschaften, die man auch für Festgeld bekommen kann.
Die Kaltmiete, die man Stupka zufolge bei diesen Eckdaten verlangen müsste, um vernünftig unternehmerisch zu arbeiten, liegt bei: 31,50 Euro pro Quadratmeter.
„Das ist der Grund, warum im Moment auch kaum noch jemand anfängt, frei finanzierte Mietwohnungen neu zu bauen“, sagt Stupka. Denn 31,50 Euro sind bis auf ein paar Spitzenobjekte nicht mal in München realistisch, zumindest noch nicht. Die 24 Euro, die derzeit laut IVD durch- schnittlich verlangt werden, nennt Stupka vor diesem Hintergrund auch „erklärbar“.
Die Tabelle mache, so erläutert es der Experte, auch deutlich, welche drei Stellschrauben es seien, die die Preise in die Höhe trieben. Zuerst erwähnt Stupka das deutlich gestiegene Zinsniveau. Als Zweites nennt er „die durch die Decke gegangenen Grundstückspreise“ und als Drittes die „viel zu hohen Baukosten, weil die Anforderungen etwa für den Schallschutz inzwischen völlig überzogen sind“. Diese Faktoren treiben übrigens nicht nur die Kosten und in der Folge die Mietpreise auf dem privaten Wohnungsmarkt in die Höhe, sondern erschweren auch die Arbeit für eine städtische Gesellschaft wie die Münchner Wohnen oder für Genossenschaften.

 

IMMOBILIENMONOPOLY IN MÜNCHEN

Ursachen, Folgen und Lösungsansätze der Immobilienkrise
– Podiumsgespräch in der Evangelischen Stadtakademie
am 25. April 2024

Ob Benko-Pleite oder Sendlinger Loch: Nicht wenige Bauträger haben sich mit ihren
Projekten in München in der Hoffnung auf ein Andauern der Niedrigzinsphase und weiter
steigenden Immobilienpreisen kräftig verspekuliert. Weitere Insolvenzen sind zu erwarten,
hässliche Lücken im Stadtbild und Stillstand im Wohnungsbau sind bittere Folgen für die
Stadtgesellschaft.

Droht jetzt bei wichtigen Bauprojekten in der Stadt jahrelanger Stillstand? Was sind die tieferen Ursachen dieser Krise bei Wohn- und Büroimmobilien und wie lässt sie sich auflösen? Was kann die Stadtpolitik dabei bewirken, wo braucht es andere Rahmenbedingungen – beispielsweise im Umgang mit Bodenspekulation?

Verspekuliert? Das „Sendlinger Loch“ an der Alramstraße, eine der Investitionsbrachen in München nach der Zinswende. Der Bauträger M-Concept plant hier unter dem Claim 14 ALRAM 128 Eigentumswohnungen und Einzelhandelsflächen im EG.        Foto: Christian Stupka

Keine Patentlösung in Sicht – Ansatzpunkte auf allen Ebenen
Eine Patentlösung für die komplexe Baukrise ist nicht in Sicht. Bessere und vor allem
verlässliche Rahmenbedingungen braucht es dazu jedenfalls in verschiedenen Bereichen – und dabei sind alle politischen Ebenen gefordert, ihren Teil beizutragen. Das gilt für den
Verzicht auf überzogene Komfortstandards etwa bei Schallschutz, Haustechnik,
Barrierefreiheit oder Stellplätzen ebenso wie für den Mut zur rascheren Entscheidung von
(bei steigender Dichte zunehmenden) Zielkonflikten in der Verwaltung wie im Stadtrat. Ein
Dreh- und Angelpunkt bleibt ein stärker dem Gemeinwohl verpflichteter Umgang mit dem
unvermehrbaren Boden, etwa durch aktive kommunale Bodenpolitik und eine faire
Besteuerung von Immobiliengewinnen. Nicht zuletzt braucht es zur Überwindung des
Stillstands im bezahlbaren Wohnungsbau eine neue Vertrauenskultur zwischen den am
Planen und Bauen Beteiligten, so Christian Stupka (Genossenschaftliche Immobilienagentur München): „Ein beträchtlicher Teil der detaillierten Regelungen eines Bebauungsplans sind Ausdruck des Misstrauens selbst gegenüber nicht profitorientierten Bauträgern wie Genossenschaften!“

So lautet knapp zusammengefasst das weitgehend einhellige Ergebnis des gut besuchten, von Sebastian Krass (Süddeutsche Zeitung) moderierten Podiumsgesprächs der Evangelischen Stadtakademie und der Initiative für ein soziales Bodenrecht am 25. April 2024 mit Anna Hanusch (Planungssprecherin Stadtratsfraktion Die Grünen – Rosa Liste), Simone Burger (Planungssprecherin Stadtratsfraktion SPD/VOLT), Heike Kainz
(Planungssprecherin Stadtratsfraktion CSU), Melanie Hammer (Geschäftsführerin BHB
Unternehmensgruppe), Christian Stupka und Stephan Reiß-Schmidt (Initiative für ein soziales Bodenrecht). Die Friedrich-Ebert-Stiftung und der Deutsche Gewerkschaftsbund Bayern steuerten dazu ihre sehr instruktive Ausstellung „Bezahlbarer Wohnraum in Bayern – eine soziale Frage“ bei.

Bodenspekulation, Zinswende und steigende Baupreise
Wesentliche Ursachen für die immer noch sinkenden Fertigstellungsraten sind – so Christian Stupka in seiner Einführung – der seit 2010 aus den Fugen geratene Bodenmarkt, die vor allem seit 2021 deutlich gestiegenen Baupreise und die Zinswende mit einer Verdopplung der Hypothekenzinsen. In München sind seit 2010 die Baulandpreise für Geschosswohnungsbau um mehr als 450 Prozent gestiegen, die Baukosten um 64 Prozent, die Nettoeinkommen jedoch lediglich um 28 Prozent. Die nach der Weltfinanzkrise 2008 bei bis in den Negativbereich sinkenden Zinsen einsetzende, lange anhaltenden Immobilienrallye mit ihren spekulativen Überhitzungen wird durch die Zinswende 2022 abrupt ausgebremst.

Quelle: Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Bereich der LH München (2024): Der Immobilienmarkt in München. Frühjahrsticker 2024, S. 5.

Gegenüber 2010 verdreifachte Kaufpreise für Eigentumswohnungen von zuletzt im
Durchschnitt rund 12.000 Euro/m² und Neuvermietungsmieten von 20 Euro/m² und mehr
überfordern auch Haushalte mit überdurchschnittlichem Einkommen, wie das Beispiel des
„Sendlinger Lochs“ zeigt. Mehrere Eigentümerwechsel während des Immobilienbooms
hatten hier zu einem Bodenwert von zuletzt 73 Mio. Euro geführt. Umgelegt auf den
Quadratmeter Wohnfläche sind dies etwa 7.000 Euro. Das ergibt zusammen mit den
gestiegenen Baupreisen Gestehungskosten für eine Wohnung mit 80 m² von etwa 1,1 Mio. Euro und mit Gewinnmarge einen Verkaufspreis von etwa 1,3 Mio. Euro. Mit 30 Prozent Eigenkapital und bei einer Annuität von 6 Prozent führt das zu einer monatlichen Belastung von 57 Euro/m² allein für Zins und Tilgung. Ohne Förderung ist heute eine Kostenmiete von nicht mehr als 20 Euro je m² nur erreichbar, wenn der Bodenwert mit Null angesetzt wird.

Weitere Ursachen für den Stillstand im Wohnungsbau sieht Stupka in der mangelnden
Verlässlichkeit von Förderkonditionen, z.B. bei den für viele genossenschaftliche
Bauvorhaben essentiellen KfW-Darlehen für klimafreundlichen Neubau (KNF). Hinzu
kommen langwierige Bebauungsplanverfahren mit immer mehr Gutachten und
Entscheidungsschleifen durch die zahlreichen beteiligten Referate sowie kostentreibende,
zum Teil fragwürdige Standards.

Risiken und Nebenwirkungen des Immobilienbooms
„Toxische Geschäftsmodelle“ einiger Akteure, die damit nicht nur eigene Investitionen, sondern auch eine sozial ausgewogene Stadtentwicklung und Wohnraumversorgung aufs
Spiel setzen, führen zu gravierenden Risiken für die Allgemeinheit, meint Stephan Reiß-
Schmidt und verweist auf die Dimension des Immobilienmarktes. Mit rund 357 Mrd. Euro
Umsatz im Spitzenjahr 2021 liegt er über dem Maschinenbau (269 Mrd. Euro) und nur 30% hinter der Automobilindustrie (506 Mrd. Euro). In der Niedrigzinsphase ab 2008 ist ein immer größerer Geldstrom von Finanzanlegern in Immobilienfonds oder Immobilienaktien geflossen. 2021 waren es rund 111 Mrd. Euro, das heißt ca. 30% des gesamten Immobilienumsatzes. Die Attraktivität von Immobilienanlagen liegt an drei Besonderheiten des Bodenmarktes: erstens an der Aussicht auf leistungslose Gewinne, da planungs- bzw. infrastrukturbedingte Wertsteigerungen nicht zugunsten der Allgemeinheit abgeschöpft werden; zweitens an einer deutlichen steuerlichen Privilegierung von Immobiliengewinnen im Vergleich zu anderen Vermögensarten und drittens an der Intransparenz des Immobilienmarktes, die Geldwäsche und Steuervermeidung erleichtert. Es lohnt sich aus der Sicht von Finanzanlegern durchaus, ein Grundstück ohne ins Bauen zu investieren mit einer erheblichen Gewinnmarge weiter zu verkaufen oder – wie es Benko bei manchen Galeria Kaufhäusern praktiziert hat – durch Mietsteigerungen den Wert der Immobilie und damit den Beleihungsspielraum für weitere Projekte zu erhöhen. Der Stadt stehen gegen solche Geschäftsmodelle nur unzureichende Instrumente zur Verfügung. So ist sie bei der Ausübung des Vorkaufsrechts an den (nicht selten spekulationsbeeinflussten) Verkehrswert gebunden. Die strengen gesetzlichen Voraussetzungen für das besondere Städtebaurecht
(Städtebauliche Sanierungs- bzw. Entwicklungsmaßnahmen) mit einer Genehmigungspflicht für den Grundstücksverkehr und einer Deckelung der Bodenpreise liegen in vielen Fällen nicht vor.

Die Stadt hat nur wenig direkten Einfluss auf die Immobilienkrise, so die einhellige Einschätzung der Stadträtinnen auf dem Podium. Auch sorgfältig erarbeitete städtebauliche Verträge mit Bauverpflichtungen und Konventionalstrafen zur Risikovermeidung laufen ins Leere, wenn ein Investor insolvent wird, stellt Anna Hanusch fest. Vorbeugendes Handeln wäre in einigen Fällen aber durchaus möglich gewesen, etwa wenn der Freistaat als Eigentümer der Alten Akademie selbst bzw. in Kooperation mit anderen öffentlichen Stellen eine kulturelle Nutzung realisiert hätte, statt einen in erster Linie am Gewinn orientierten Immobilienentwickler ins Boot zu holen, so Simone Burger. Anzeichen dafür, dass es hier und bei anderen brachliegenden Projekten in der nach wie vor attraktiven Münchner Innenstadt mit anderen Akteuren weitergehen kann, sieht Heike Kainz. Manche Projekte seien wohl auch durch langwierige Planungs- oder Genehmigungsverfahren in die Zinsfalle geraten. Aus der Sicht eines Immobilienunternehmens erläutert Melanie Hammer unterschiedliche Einschätzungen innerhalb der Branche. Manche zu optimistische Hypothesen sind durch die Zinswende überholt. Ihr Konzept sei eher die Suche nach Nischen und ein möglichst früher Einstieg in die Baurechtsentwicklung.

Gebäudetyp-e und schlankere B-Plan-Verfahren
Eine Überwindung des Baustillstands setzt ein abgestimmtes Handeln von Bund, Freistaat
und Kommunen voraus. Stupka verweist als Beispiel auf den von der Bayerischen
Architektenkammer vorgeschlagenen und jetzt bundesweit diskutierten Gebäudetyp-e mit in einigen Bereichen reduzierten Standards. Eine Erhöhung der Fördermittel für bezahlbaren Wohnungsbau könne durch die Besteuerung bzw. Abschöpfung leistungsloser Bodenwertgewinne finanziert werden – nach dem Vorbild des über einhundert Jahre konsequent betriebenen Wiener Gemeindewohnungsbaus, der nur durch eine besondere Steuer auf Immobilienerträge (sog. Hauszinssteuer) möglich war.
Standardreduzierungen in nicht sicherheitsrelevanten Bereichen sind auch für Hammer
kostenrelevant, etwa eine Reduzierung der Ansprüche an den Schallschutz und damit der
Stärke von Geschossdecken. Allerdings stellt die Abweichung auch von nicht gesetzlich
verbindlichen DIN-Normen für Bauträger ein haftungsrechtliches Risiko dar, solange das
Werkvertragsrecht des BGB nicht entsprechend angepasst ist. Ihr Unternehmen beteiligt sich an den Pilotprojekten des Freistaats zum Gebäudetyp-e mit einem Objekt in Gauting, das im Bestand gehalten und vermietet werden soll. Bei manchen kostentreibenden Anforderungen an Bebauungspläne braucht die Stadt laut Hanusch mehr rechtlichen Gestaltungsspielraum, etwa indem eine vorgesehene Tempo-30-Regelung für eine Sammelstraße schon bei der Lärmberechnung für den B-Plan zugrunde gelegt werden darf. Und bei Maßnahmen im Bestand ist ein erweiterter Bestandsschutz hilfreich, um eine kostenträchtige Nachrüstung auf aktuelle Standards zu vermeiden.

Die Größe und Dichte der Stadt und die damit verbundene Komplexität sind für Kainz einer der Gründe von langen Planungsverfahren. Kleine Städte haben es hier bisweilen leichter, auch wegen kürzerer Entscheidungswege und flacherer Hierarchien. Projektgruppen mit entscheidungsbefugten Vertreter*innen der Fachreferate könnten hier nach Stupkas Erfahrungen helfen. Nicht jeder Zielkonflikt zwischen Referaten müsse bis zum Oberbürgermeister eskaliert werden, so Burger. Vor 20 Jahren wurde der sehr komplexe Bebauungsplan für die Allianz Arena in Rekordzeit erstellten, erinnert Reiß-Schmidt. Hier war der Planungsprozess als Projekt gut organisiert und die Motivation aller Beteiligten hoch.

Nachbemerkung: Boden ist der Schlüssel!
Vor allem der Bund bleibt im Obligo, den Kommunen endlich mehr Handlungsspielräume für eine aktive und gemeinwohlorientierte Bodenpolitik zu schaffen, wie sie das von zahlreichen Kammern, Akademien und Verbänden getragene Bündnis Bodenwende fordert. Dazu gehören etwa ein erweitertes kommunales Vorkaufsrecht zu einem sozial verträglichen Ertragswert, der bezahlbares Wohnen ermöglicht; eine Abschöpfung leistungsloser Bodenwertgewinne durch den schon lange diskutiertet Planungswertausgleich; eine Verknüpfung von Baurecht und Bauverpflichtung, um die spekulatives Horten von Grundstücken zu erschweren sowie mehr Transparenz des Bodenmarktes z.B. durch ein Register der wirtschaftlich Berechtigten und ein öffentliches Grundbuch. Eine wirksame Bremse gegen riskante Geschäftsmodelle und Bodenspekulation ist schließlich eine faire Besteuerung von Immobilien. Die Steuermehreinnahmen werden vor allem für eine sozial- und klimagerechte Boden- und Wohnungspolitik dringend gebraucht.

Viele dieser Forderungen finden sich übrigens in den Wahlprogrammen von SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur letzten Bundestagswahl. Leider blieb im Koalitionsvertrag der Ampel fast nichts davon übrig. Was liegt angesichts der Immobilien- und Wohnungsbaukrise näher, als dass auch einflussreiche Kommunalpolitiker*innen der beiden größten Regierungsparteien mit Nachdruck zumindest den Einstieg in eine gemeinwohlorientierte Bodenwende einfordern?

Stephan Reiß-Schmidt

Die Bodenfrage und EARTH – Towards Regenerative Design – 25.04.2023

Wir laden ein zu zwei Veranstaltungen zur Bodenfrage
und EARTH – Towards Regenerative Design
Die Bodenfrage

Diskussion zu Instrumenten einer gemeinwohlorientierten Bodenpolitik
18 Uhr im PlanTreff  Blumenstraße 31

Eine Veranstaltung des Planungsreferats in Kooperation mit dem BDA Bayern
mit:

Elisabeth Merk Prof. Dr. (Univ Florenz), Stadtbaurätin der LH München 
Stephan Reiß-Schmidt Stadtdirektor a.D., Mitinitiator Initiative Bodenrecht
Michael Leidl Architekt, Landesvorstand BDA, Referent für Raum und Flächenplanung
Theresa Bader M.A. Architektur, Masterthesis „Stadträume als gemeinschaftliche Ressource“

Mehr Information 

EARTH – Towards Regenerative Design

Vorträge, Film und Diskussion mit AkteurInnen aus verschiedenen Bereichen, die mit ihren Projekten die Regeneration der Erde aktiv unterstützen.
20 Uhr in der Architekturgalerie München  Blumenstraße 22

Vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der politischen Strategien wurden die Selbstwirksamkeit des Einzelnen und innovative Konzepte von BürgerInnen, PlanerInnen und ProjektentwicklerInnen in den Mittelpunkt gestellt.

Philina Schmidt GemüseheldInnen e.V., Frankfurt am Main
Christoph Hesse Christoph Hesse Architects, Berlin, Korbach
Melanie Hammer Architekturkultur Stiftung, BHB Unternehmensgruppe
Regine Keller Prof., Landschaftsarchitektur und öffentlicher Raum, TUM / UNIOLA
Michalel Leidl Arc Architekten, Hirschbach, Bad Birnbach 
Elisabeth Merk Prof. Dr. (Univ Florenz), Stadtbaurätin der LH München
Nicola Borgmann Architekturgalerie München

Mehr Information   

75 Jahre Grundgesetz – wo bleibt das soziale Bodenrecht?

In der SZ vom 4. März 2023 kommentiert He­ri­bert Prantl die bevorstehenden Fei­ern zur Fei­er des Grund­ge­set­zes im kommenden Jahr und verweist auf spek­ta­ku­lär miss­ach­tete Sätze: „An der Spit­ze der leer­lau­fen­den Sät­ze steht der Ver­fas­sungs­satz, dass Ei­gen­tum ver­pflich­tet und sein Ge­brauch zu­gleich dem Wohl der All­ge­mein­heit die­nen soll.“
Nach einem Exkurs zu den Berliner Ko­ali­ti­ons­ge­sprä­chen, in denen sich gerade SPD-Spit­zen­frau Fran­zis­ka Gif­fey und des CDU-Spit­zen­man­nes Kai Weg­ner darum bemühen den Volks­ent­scheid mit der For­de­rung die Deut­sche Woh­nen & Co zu ent­eig­nen mög­lichst nicht um­zu­set­zen, kommt Prantl auf die Neu­auf­la­ge des Bu­ches von Hans-Jo­chen Vo­gel zu sprechen:
„Der frü­he­re Re­gie­ren­de Bür­ger­meis­ter von Ber­lin und lang­jäh­ri­ge Ober­bür­ger­meis­ter von Mün­chen hat es 94-jäh­rig, im Jahr 2019, ein hal­bes Jahr vor sei­nem Tod, ver­öf­fent­licht. Es be­schäf­tigt sich un­ter dem Ti­tel „Mehr Ge­rech­tig­keit“ mit der Fra­ge, wie Woh­nen wie­der be­zahl­bar wird. Das hat Vo­gel um­ge­trie­ben, weil er wuss­te, dass die Woh­nungs­not auf ei­ne so­zia­le Ka­ta­stro­phe hin­aus­läuft; der Fi­nanz­po­li­ti­ker und frü­he­re Co-SPD-Chef Nor­bert Wal­ter-Bor­jans hat nun das Vor­wort zur Neu­auf­la­ge ge­schrie­ben. Vo­gel ver­weist auf die as­tro­no­mi­sche Stei­ge­rung der Bau­land­prei­se als ei­ne Ur­sa­che für Mie­ten­ex­plo­sio­nen und for­dert ei­ne so­zia­le Bo­den­ord­nung mit Ab­schöp­fung der Wert­stei­ge­rung von Grund und Bo­den.
Dar­über be­stand vor fünf­zig Jah­ren schon ein­mal Ei­nig­keit: Nicht nur die SPD hat­te zu­ge­stimmt, auch die CDU-Bo­den­rechts­kom­mis­si­on, der Ju­ris­ten­tag und der Städ­te­tag, so­gar die FDP. In­des: Die CDU/CSU-Mehr­heit im Bun­des­rat lehn­te da­mals den Pla­nungs­wert­aus­gleich ab, der Ver­mitt­lungs­aus­schuss wur­de an­ge­ru­fen, und die Sa­che ver­schwand in der Ver­sen­kung.“
Prantl meint, „… der Ber­li­ner Se­nat könn­te sie dort wie­der her­aus­ho­len. Ei­ne sol­che Ver­ein­ba­rung der Ko­ali­tio­nä­re wä­re ein Zei­chen des Auf­bruchs, ein Zei­chen ge­gen den woh­nungs­po­li­ti­schen Fa­ta­lis­mus.“
Besser wäre es allerdings, die rot-grün-gelbe Bundesregierung würde die Sache ‚Soziale Bodenordnung‘ wieder aufnehmen, denn es geht um Bundes- nicht um Länderrecht.

Neuer Bundestag, neue Bundesregierung: Welche bodenpolitischen Initiativen und Instrumente sind für München wichtig?

Dokumentation des Online-Talks am 5. April 2022

Eine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik und bessere Steuerungsinstrumente stehen weiterhin ganz oben auf der kommunalpolitischen Agenda – nicht nur in München. Die exorbitant hohen Preise für Bestandsimmobilien und Bauland sind zusammen mit stark gestiegenen Baupreisen und höheren Anforderungen an klimagerechtes und energieeffizientes Bauen ein wesentlicher Grund dafür, dass die Erhaltung und der Neubau von bezahlbaren und bedarfsgerechten Wohnungen in München eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahre bleibt.
Finanzanleger und Fonds investierten 2020 in Deutschland fast 80 Milliarden Euro in Immobilien und heizten damit die Preisspirale weiter an. In München entfallen bei Baulandpreisen von mehr als 5.000 Euro/m² rund 80 Prozent der Kosten einer Wohnung auf das Grundstück – was zu Neubaumieten jenseits von 20 Euro/m² führt.

Die Vereinbarungen zum Thema Bodenpolitik im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung sind für viele enttäuschend und bleiben deutlich hinter den Wahlprogrammen von zwei der Koalitionspartner zurück.

Wir haben uns gemeinsam mit Planungsexpert*innen der Münchner Stadtratsfraktionen darüber ausgetauscht, welche Erwartungen und Forderungen an die Regierungsfraktionen und die Bundesregierung aus Münchner Perspektive besonders dringlich sind.

Auf dem virtuellen Podium saßen:

Bernd Schreyer, Stadtratsfraktion Die Grünen / Rosa Liste
Heike Kainz, Stadtratsfraktion CSU
Simone Burger, Stadtratsfraktion SPD / Volt
Prof. Dr. Jörg Hoffmann, Stadtratsfraktion FDP / Bayernpartei
Stefan Jagel, Stadtratsfraktion DIE LINKE. / Die PARTEI
Tobias Ruff, Stadtratsfraktion ÖDP / München-Liste

Die Moderation übernahmen Christian Stupka und Stephan Reiß-Schmidt von der Münchner Initiative für ein soziales Bodenrecht

1. Runde: Offene Eingangsfrage (3 Minuten je Person)

Schöpft die Stadt München die derzeit zur Verfügung stehenden bodenpolitischen Instrumente aus oder gibt es Defizite? Wo stößt sie an ihre Grenzen?

Einleitung durch Stephan Reiß-Schmidt, Statements von Bernd Schreyer, Heike Kainz, Simone Burger, Prof. Dr. Jörg Hoffmann, Tobias Ruff und Stefan Jagel:

2. Runde: Bodenpolitische Instrumente im Wohnungbestand (3 Minuten pro Person)

Die MünchnerInnen leben in etwa 800.000 Wohnungen, etwa 75% sind Mietwohnungen. Den Mieterinnen und Mietern geht es um Wohnsicherheit zu leistbaren Mietkonditionen. Wir wollen an dieser Stelle nicht über Mietgesetzgebung diskutieren sondern über bodenpolitische Instrumente. Aktuell steht aufgrund höchstrichterlicher Entscheidung das Vorkaufsrecht in Erhaltungssatzungsgebieten in der öffentlichen Diskussion. Weitere Stichworte sind die Ausweitung der Genehmigungspflicht bei Umwandlungen durch den neuen § 250 Baugesetzbuch (BauGB), aber auch die steuerliche Abschöpfung leistungsloser, bodenwertbedingter Gewinne bei Verkauf von privaten Wohnimmobilien, die nicht der eigenen Wohnungsversorgung dienen.
Da bei diesen Fragen Bundes- und Landesgesetzgebung den Rahmen für kommunales Handeln bilden, lautete die Frage: Welche Forderungen haben Sie an Bund und Freistaat Bayern?

Einleitung durch Christian Stupka, Statements von Prof. Dr. Hoffmann, Heike Kainz, Simone Burger, Bernd Schreyer, Stefan Jagel und Tobias Ruff:

3. Runde: Mobilisierung von Bauland und bodenpolitische Instrumente beim Wohnungsbau

Baulandmobilisierung zu bezahlbaren Knditionen ist wegen des kleinen Stadtgebietesund der enorm hohen Bodenpreise in München besonders schwierig. Für neue Stadtteile auf ehemaligen Gewerbe, Bahn- oder Kasernenflächen oder am Stadtrand gibt es dafür die Verfahrensgrundsätze der sozialgerechten Bodennutzung (SoBoN) und seit 50 Jahren das bewährte, allerdings nicht unumstrittene Instrument der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM), das im Münchner Norosten und Norden angewendet wird.
Aus Gründen des Klima- und Artenschutzes sollte der Wohnungsneubau allerdings zu einem möglichst großen Anteil durch Innentwicklung (Nachverdichtung in Baulücken, auf untergenutzten Grundstücken oder durch Aufstockung) im bereits bebauten Bereich erfolgen.
Dazu wurden im vergangenen Jahr mit dem Baulandmobilisierungsgesetz inbesondere für angespannte Wohnungsmärkte einige neue bzw. verbesserte Instrumente in das BauGB aufgenommen: z. B. sektorale Bebauungspläne zur Festsetzung von Anteilen geförderter Wohnungen im unbeplanten Innenbereich gem. § 34 BauGB; Erweiterung des Vorkaufsrechts auf geringfügig bebaute oder brachliegende Grundstücke und sog. Schrottimmobilien sowie Peislimitierung auf den Verkehrswert; Erweiterung der Anwendbarkeit des Baugebots; erweiterte Möglichkeiten der Befreiung von einem Bebauungsplan; Umwandlung der strikten Dichte-Obergrenzen in Orientierungswerte (§ 17 Baunutzungsverordnung).
Welche dieser Änderungen sind aus Ihrer Sicht in München für die Baulandmobilisierung zur Schaffung bezahlbarer Mietwohnungen besonders wirksam? Welche Instrumente wären darüber hinaus für München wichtig?

Einleitung durch Stephan Reiß-Schmidt, Statements von Heike Kainz, Tobias Ruff, Prof. Dr. Hoffmann, Stefan Jagel, Bernd Schreyer und Simone Burger:

4. Diskussion der Fragen aus dem Chat

Großstädte, Bundesrat und Bundestag ergreifen Initiative zum Vorkaufsrecht

Die Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey, der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Dr. Peter Tschentscher, und der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München, Dieter Reiter, haben sich auf eine gemeinsame Initiative zur Stärkung des gemeindlichen Vorkaufsrechts verständigt.
Hintergrund der gemeinsamen Initiative ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 2021, das eine vorsorgliche Nutzung des Vorkaufsrechts zu
diesem Zweck untersagt. Die Bürgermeister*innen der drei größten deutschen
Städte betonen die Wichtigkeit einer gesetzlichen Neuregelung des gemeindlichen Vorkaufsrechts auf Bundesebene, weil nur so eine rechtssichere Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts zum Schutz der Wohnbevölkerung gewährleistet werden kann. Die drei Bürgermeister appellieren an den Bundesgesetzgeber und an die Länder, an einer bundesweiten Lösung mitzuwirken. Dazu mehr in der Münchner Rathausumschau vom 27. Januar 2022.

Bereits Mitte November 2021 hatten die Bauminister*innen der Länder und des Bundes in der Bauministerkonferenz an den Bund appelliert, schnellstmöglich eine Klarstellung im Baugesetzbuch vorzunehmen. Darüber bestünde große Einigkeit unter den Ländern. Ziel müsse es sein, dass Gemeinden ihre Vorkaufsrechte rechtssicher anwenden und so die Maßgaben der Sozialen Erhaltungsverordnungen durchsetzen können.

Daraufhin hat das Land Berlin Ende November 2021 einen Antrag zur Änderung von § 26 Nummer 4 des Baugesetzbuchs eingereicht und einen Entwurf dazu vorgelegt, der in der Bundesratsdrucksache 811/21 veröffentlich wurde.

Auch die Fraktion Die Linke stellete Anfang Dezember 2021 diesbezüglich einen Antrag, der in der Bundestagsdrucksache 20/236 nachzulesen ist.

Der Antrag (20/236) der Fraktion Die Linke zur Wiederherstellung des kommunalen Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten stand am 28. Januar 2022 im Mittelpunkt einer halbstündigen Debatte des Bundestags überwies die Vorlage im Anschluss zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) erklärte bei dieser Gelegenheit, dass sie das kommunale Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten zügig neu regeln und dieses Thema unabhängig von der geplanten Novelle des Baugesetzbuches angehen wolle. Mehr dazu …

Mit einiger Verspätung hat nun auch die bayerische Bauministerin Kerstin Schreyer den Bund aufgefordert, zum Vorkaufsrecht tätig zu werden. Nach sorgfältiger Prüfung der Thematik sieht sie Handlungsbedarf: das Bundesbauministerium solle einen Gesetzentwurf vorlegen. Mieterschutz und Schutz der angestammten Bevölkerung seien ein großes Anliegen der Staatsregierung. Siehe hierzu die Presseerklärung.

Jetzt Bodenwende einleiten

 

 

 

 

 

Bündnis Bodenwende fordert die Einrichtung einer Enquete-Kommission des Bundestages zur gemeinwohlorientierten Bodenpolitik

PRESSEMITTEILUNG

Berlin, 15.12.2021
Das Bündnis Bodenwende hat hohe Erwartungen an die Koalition und an das neue Ressort für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen hinsichtlich einer sozialen und ökologischen Boden- und Städtebaupolitik. „Die im Koalitionsvertrag festgehaltenen Aussagen bleiben hinter unseren Erwartungen zurück. Wir brauchen dringend konkrete und kreative Lösungen“, konstatiert Stephan Reiß-Schmidt als Sprecher des überparteilichen Bündnisses von zahlreichen renommierten Organisationen aus den Bereichen Architektur, Stadt- und Raumplanung, Umwelt und Naturschutz sowie Soziales und gesellschaftliche Teilhabe. Das Bündnis hatte sich 2020 zusammengeschlossen, um für eine gemeinwohlorientierte Bodenwende zu werben. Weiterlesen

Wohnungspolitik in der Zeitschleife

Unter diesem Titel veröffentlichte die Deutsche BauZeitschrift einen Artikel von Stephan Reiß-Schmidt von der Münchner Initiative soziales Bodenrecht, in dem er den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP im Hinblick auf die immer drängendere Wohnungsfrage kritisch analysiert.

Die Wohnungsfrage sei schon immer vor allem eine Bodenfrage gewesen. Eine sozial gerechte und nachhaltige Nutzung des unvermehrbaren Bodens setze daher voraus, dass er der Verwertungsspirale entzogen und als Gemeingut behandelt werde.

Voraussetzung für einen Neustart wäre daher erstens eine rasch wirksame, auf mindestens fünf Jahre befristete Notbremse für Bodenpreise und Mieten in angespannten Wohnungsmärkten. Konzepte für ein Bodenpreisdämpfungsgesetz und für einen bundesweiten Mietendeckel lägen auf dem Tisch.

Voraussetzung für einen Neustart wäre daher erstens eine rasch wirksame, auf mindestens fünf Jahre befristete Notbremse für Bodenpreise und Mieten in angespannten Wohnungsmärkten. Konzepte für ein Bodenpreisdämpfungsgesetz und für einen bundesweiten Mietendeckel lägen auf dem Tisch.

Zum Kommentar in Deutsche BauZeitschrift.

Bundesverwaltungsgericht entwertet gemeindliches Vorkauftsrecht

Anfang November 2021 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass „das Vorkaufsrecht für ein Grundstück, das im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung bzw. -verordnung liegt, […] von der Gemeinde nicht auf der Grundlage der Annahme ausgeübt werden [darf], dass der Käufer in Zukunft erhaltungswidrige Nutzungsabsichten verfolgen werde“.

Entgegen der Entscheidung der Vorinstanzen, die argumentierten, dass das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertige, entschied nun das Bundesverwaltungsgericht, dass die Vermutung einer zukünftigen erhaltungswidrigen Nutzungsabsichte als Begründung für die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht ausreiche.

Diese Entscheidung macht das kommunale Vorkaufsrecht weitgehend zahnlos. Viele Städte und Gemeinden haben daher die Initiative ergriffen, den Bund zu einer entsprechenden Änderung des Baugesetzbuches aufzufordern, damit Kommunen Vorkaufsrechte wie bisher ausüben können. Diesen Ausweg haben die Leipziger Bundesverwaltungsrichter selbst geöffnet: Es sei Sache des Gesetzgebers, den Wortlaut des einschlägigen Gesetzestextes zu überarbeiten – „vor dem Hintergrund neuer Entwicklungen und drängender Probleme auf dem Wohnungsmarkt“.

Siehe hierzu auch den Bericht in der Süddeutschen Zeitung vom 16. Dezember 2021.